Ausgangslage: Transformationsprozesse in einem harten internationalen Wettbewerb
In den deutschen Seehäfen laufen einschneidende Transformationsprozesse: Die Häfen stehen mitten in der Digitalisierung und am Anfang großer Umbrüche bei der Energienutzung. Diese Anstrengungen müssen massiv verstärkt werden, um den größtmöglichen Vorteil für den Wirtschafts- und Logistikstandort Deutschland zu erzielen und gute Arbeitsplätze zu sichern. Deutsche Seehäfen wickeln etwa zwei Drittel des seewärtigen deutschen Außenhandels ab. Im gesamten Bundesgebiet sichern deutsche Häfen bis zu 5,6 Millionen Arbeitsplätze. In wichtigen Segmenten wie Container oder Stückgut verlieren sie allerdings Marktanteile. Damit die Unternehmen der Hafenwirtschaft ihre Position halten und ausbauen können, brauchen wir eine Politik, die die deutschen Seehafenbetriebe im internationalen Wettbewerb stärkt, die erforderlichen Transformationsprozesse erleichtert und die Erreichung globaler Nachhaltigkeitsziele ermöglicht.
Infrastrukturen für Verkehr & Kommunikation ertüchtigen
Die Hafenwirtschaft erwartet von der Politik, dass sie für eine gute Infrastruktur für Verkehr und Kommunikation sorgt, die Deutschlands Position und Anspruch als eine der größten Volkswirtschaften der Welt gerecht wird und die Erreichung von Nachhaltigkeitszielen unterstützt. Das betrifft die klassische Infrastruktur aus Schienen, Straßen und Binnenwasserstraßen sowie den Breitbandausbau, auch in den Häfen und auf dem Wasser. Daher muss
- der Investitionshochlauf für die Verkehrsinfrastrukturen bei mindestens 19 Mrd. Euro pro Jahr langfristig verstetigt werden
- der Breitbandausbau vorangetrieben werden
- der Schienengüterverkehr als Wettbewerbsvorteil deutscher Seehäfen gestärkt und bei den Planungen eines „Deutschlandtaktes“ stärker berücksichtigt werden
- vorhandene Planungskapazitäten erhöht und Planungs- und Genehmigungsverfahren verkürzt werden
- das Nationale Hafenkonzept als länderübergreifende Hafenstrategie neu aufgelegt werden.
Fairen Wettbewerb sicherstellen
Die Hafenwirtschaft braucht faire Wettbewerbsbedingungen. In der maritimen Logistik gehen Reedereien, Hafenunternehmen, Speditionen, etc. – im Rahmen des geltenden Wettbewerbsrechts – verschiedene Formen der Zusammenarbeit mit Konkurrenten ein und versuchen zugleich, sich in den verschiedenen Geschäftsfeldern entlang der Transportkette zu engagieren. Insofern konkurrieren Logistikunternehmen gelegentlich mit ihren Kunden, also zum Beispiel Schifffahrtskonzerne mit Hafenkonzernen. Aufgabe der Politik ist es, für den Wettbewerb unter Standorten und Unternehmen einen fairen Rahmen zu schaffen.
Wettbewerbsnachteile müssen zielstrebig abgebaut werden:
- Zur Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer gemeinsam mit den Bundesländern das Verrechnungsmodell einführen
- Transportwegekosten (Lots- und Kanalkosten, Trassenpreise, LKW-Maut) international wettbewerbsfähig gestalten
- Beteiligungen aus Drittstaaten auf ihren Einklang mit europäischem Beihilferecht prüfen
- Profunde Überprüfung der einseitigen EU-Gruppenfreistellung für Konsortien in der Linienschifffahrt und daraus voraussichtlich ihre Abschaffung im Jahr 2024 einfordern
- Steuernachteile von Hafen-, Speditions- und Fuhrunternehmen im Verhältnis zu Schifffahrtsunternehmen abbauen
- Welthandelsorganisation (WTO), Internationale Arbeitsorganisation (ILO) und ähnliche internationale Organisationen stärken.
Energiewende im Hafen unterstützen
Die Hafenwirtschaft erwartet von der Politik mehr Investitionen, um neue Formen der Energienutzung im Hafen zu ermöglichen. Häfen sind Energiedrehscheiben. Sie gewährleisten die Versorgung des Landes mit den Energieträgern, die über den Seeweg bezogen werden. Häfen bedienen dabei Schiffe, die Energie nutzen, und verwenden selbst Energie. Mit Blick auf die verstärkte Nutzung von alternativen und neuen Energieträgern ergeben sich für die Politik folgende Aufgaben:
- Investitionen in umweltfreundliche Nutzfahrzeuge (auch ohne Straßenzulassung) und Spezialgerätschaften, die im Hafen zum Einsatz kommen, fördern
- Investitionen in Terminals und Verteilinfrastruktur für LNG-Versorgung fördern
- Bereitstellung von Bunkervorrichtungen und Tankinfrastruktur zur Versorgung von Schiffen mit Wasserstoff oder Wasserstoff-basierten Syntheseprodukten unterstützen
- Forschung und Entwicklung von Wasserstofftechnologie in Seehäfen ansiedeln und die Häfen für den Handel mit und die Nutzung von Wasserstoff ausstatten
- Umwidmung von Flächen und Anlagen, die aktuell für den Umschlag von Kohle genutzt werden, erleichtern
- Ausbau von Offshore-Wind beschleunigen
- Nutzung von und Infrastruktur für Landstrom rentabilisieren
- Überarbeitung der EU-Energiesteuerrichtlinie im Einklang mit ökonomischen, ökologischen und sozialen Belangen einfordern.
Investitionen in Automatisierung und Digitalisierung fördern
Die Hafenwirtschaft benötigt mehr Unterstützung beim technologischen Wandel. Deutsche Seehafenbetriebe setzen von jeher auf eine optimale Nutzung neuer Technologien und haben gemeinsam mit ihren Belegschaften im Rahmen der Sozialpartnerschaft frühzeitig die Automatisierung und Digitalisierung des Hafengeschäfts vorangetrieben. Durch folgende Maßnahmen sollte die Politik diese Entwicklung weiter begleiten:
- Das Förderprogramm IHATEC II stärken
- Die Förderkulisse Digitale Testfelder in Häfen weiter ausbauen
- Sicherheit der allgemeinen IT-Infrastruktur gewährleisten
- Rechtsrahmen beständig an technische Entwicklungen anpassen (Beispiel Blockchain-Technologie)
- Digitale Infrastruktur, digitalisierte Abläufe und Personal in allen Teilen der öffentlichen Verwaltung, die mit dem Güter- und Personenverkehr befasst sind (z.B. Zoll, Steuerbehörden, Gesundheitsämter, Arbeitsschutz), an bestehende Standards anpassen.
Demografischen Wandel stemmen
Die Hafenwirtschaft erwartet Förderung beim Umgang mit dem demografischen Wandel. Gute Verdienstmöglichkeiten und interessante Betätigungsfelder im High-Tech-Umfeld Hafen helfen, Arbeits- und Facharbeitskräfte, IT-Spezialist*innen, Ingenieur*innen und Kaufleute für die Hafenwirtschaft zu gewinnen. Die Politik kann den demografischen Wandel im Hafen wie folgt unterstützen:
- Ausbildung und Qualifizierung von Arbeitskräften fördern
- Gemeinsame Demografie bedingte Maßnahmen von Arbeitgebern und Arbeitsnehmern unterstützen und im Wege einer Förderkulisse aufstocken.
Hamburg, den 9. September 2021