EU-Kommission will „Port Package III“ für Reedereien lockern
Um Reedereien “mit dringend benötigter Liquidität zu versorgen“ hat die Europäische Kommission gestern überraschend eine Verordnung über Hafenentgelte vorgeschlagen, die Mitgliedstaaten und Hafenbehörden vorübergehend die Flexibilität eröffnen soll, Hafeninfrastrukturentgelte zu stunden, ermäßigen oder erlassen. Erleichterungen ausdrücklich für europäische Hafenunternehmen, die wie Schifffahrtsunternehmen mit drastischen Volumen- und Umsatzrückgängen konfrontiert sind, sieht die Europäische Kommission in ihrem gestern veröffentlichten Maßnahmenpaket für den Verkehrsbereich nicht vor, schließt sie jedoch auch nicht aus.
Nach der Verordnung (EU) 2017/352 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Rahmens für die Erbringung von Hafendiensten und zur Festlegung von gemeinsamen Bestimmungen für die finanzielle Transparenz der Häfen – besser bekannt als „Port Package III“ – müssen die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass die Lenkungsorgane eines Hafens ein Hafeninfrastrukturentgelt erheben, dessen Höhe sie einerseits gemäß ihrer Geschäftsstrategie und Investitionspläne bestimmen dürfen und die andererseits dem EU-Wettbewerbsrecht genügen muss.
Hafeninfrastrukturentgelte sind Entgelte, die Reedereien direkt an die Leitungsorgane eines Hafens u.a. für die Nutzung von Infrastruktur entrichten.
Mit der vorgeschlagenen Verordnung möchte die Kommission den Lenkungsorganen die Möglichkeit einräumen, entsprechende Entgelte für den Zeitraum 1. März 2020 bis 31. Dezember 2020 nicht zu erheben, zu suspendieren, zu reduzieren oder zu stunden.
Die Europäische Kommission hat die Hafenwirtschaft zu ihrem Vorhaben nicht konsultiert. Wegen der mit der Coronavirus-Krise verbundenen Dringlichkeit sei es nicht möglich gewesen, interessierte Kreise anzusprechen, Expertisen einzuholen oder Folgenabschätzungen vorzunehmen, heißt es in der Vorschlagsbegründung. Auch auf eine besondere Berichtspflicht verzichtet die Kommission, denn Parlament und Rat müssten ohnehin bis März 2023 über die Funktionsweise und Auswirkungen des „Port Package“ berichten.
Die Hafenwirtschaft wird den Vorschlag vor dem Hintergrund der sonstigen Begünstigungen für schiffszentrierte Logistikunternehmen im Verhältnis zu hafen- und speditionszentrierten Logistikunternehmen bewerten. Zudem muss der Vorschlag im Lichte des allgemeinen Beihilferechts in Notlagen sowie der Mitteilung der Europäischen Kommission zum Befristeten Rahmen für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft angesichts des derzeitigen Ausbruchs von COVID-19, vom 20. März 2020 beurteilt werden. Der ZDS wird seine Hinweise in das nun anlaufende Gesetzgebungsverfahren zur neuen Verordnung einbringen.